Mit etwa 4 Mio. Personen bilden Selbstständige 2022 in Deutschland rund 9 % aller Erwerbstätigen und sind damit anderen jobrelevanten Belastungen ausgesetzt als ihre angestellten Kolleg*innen. Die Statistik verdeutlicht zudem einen doppelten Anteil von männlichen Selbstständigen gegenüber den weiblichen. Ungeachtet des Geschlechts arbeiten Freelancer*innen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Was u. a. als Freiheit empfunden wird, kann schnell zu Unsicherheit und Existenzängsten werden, wenn sich Umstände verändern.
Sollen sich o. g. Belastungen nicht negativ auf deine mentale Gesundheit auswirken, ist es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln und zu fördern.
Passend zum Jahreszeitenwechsel beleuchtet der vorliegende Beitrag das Thema der psychischen Gesundheit durch die Brille von Freelancer*innen. Dabei klären wir u. a. die Fragen:
- Mit welchen psychischen Belastungen haben v. a. Freelancer*innen zu kämpfen?
- Wie kann ich dem Ganzen präventiv begegnen?
- Woran merke ich, dass es mir nicht gut geht?
- Wo finde ich Infos, Hilfe & Ansprechpartner*innen?
Zudem beschäftigen wir uns mit:
Tipps, Tricks und Tools, die deine mentale Gesundheit im Alltag fördern.
Internalisierter Stress entsteht häufig unter Zeit- & Leistungsdruck oder aufgrund sozialer Konflikte. Je mehr Struktur und Routinen im Alltag, desto mehr Kapazitäten hast du für andere Aspekte des Lebens. Wenn du deinen Alltag organisieren möchtest und dabei Stress reduzieren willst, kümmere dich um:
- Stressmanagement: Fokus, Priorisierung & Struktur
- Zeitmanagement: Tools für Planung, Organisation & Terminierung
- Aktivität: Hilf deinem Körper, sich selbst zu helfen
- Pausen: nötig, nützlich & nachhaltig
- Vergleiche: Wann sind Vergleiche gut?
Der Beitrag soll über den sogenannten Herbstblues hinauswirken, Awareness schaffen, Hilfestellung geben und dir zeigen: Du bist nicht allein.
Freelancing & Mental Health: Sind wir frei oder verloren?
So paradox es klingen mag: Die Gründe für eine Selbstständigkeit können ebenso der Ursprung existenzieller Sorgen sein. Entscheidungsfreiheit und Flexibilität sind zwei der Hauptgründe, weswegen sich Menschen für das Freelancen entscheiden.
Doch wo Autonomie herrscht, sind Unsicherheit und Einsamkeit nicht weit. Permanent für alles verantwortlich zu sein, erschwert die Trennung von Job und Privatleben. So wird aus dem gewünschten work-life-blending eher das omnipräsente Gefühl, nicht genug getan zu haben.
Als Freelancer*in zu arbeiten, bedeutet auch: Eigenverantwortung bei der Kundenakquise, Einhaltung von Deadlines, wenig Planbarkeit sowie Stabilität in Bezug auf Finanzen und Aufträge. Auf Dauer kann sich das Ganze zu Existenzängsten entwickeln und enormen Stress verursachen.
Zudem unterschätzen v. a. Soloselbstständige die Einsamkeit, die damit oft einhergeht.Die fehlende Möglichkeit, sich täglich oder zumindest regelmäßig mit anderen Menschen austauschen zu können, ist basal für das eigene Wohlbefinden. Im Angestelltenverhältnis sind die Rahmenbedingungen für den persönlichen Austausch optimal – für Selbstständige gilt oft: Du musst dich aktiv um interpersonelle Kommunikation kümmern. So logisch, so anstrengend das Ganze nach einem langen Arbeitstag.
In Hinblick auf die Pandemie waren unsere sozialen Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt, was sich teilweise massiv auf die mentale Gesundheit auswirkte. Auch, wenn wir in Bezug auf menschliche Kontakte verschiedene Bedürfnisse haben, sind soziale Interaktionen essenziell für das eigene Wohlbefinden. Wie wir schon im letzten Blogartikel resümierten: Der interaktive Austausch mit anderen bringt dich weiter und im besten Fall näher zu dir selbst und deinen Visionen.
Stressfaktoren von Selbstständigen: Wer oder was stresst dich?
Freelancer*innen sind wahre Multitasking-Talente und für vieles allein verantwortlich. Im Rahmen unserer Recherchen spürten wir die größten Stressoren für Freelancer*innen auf – Und fühlten uns ertappt:
- Unsicherheiten in Bezug auf Finanzen, Planung und Zukunft
- Überarbeitung
- Deadlines & Fristen
- Hohe Eigenverantwortung
- Unzufriedene Kund*innen …
Diese Aspekte lassen sich leider nicht vermeiden und gehören zum Joballtag von Freelancer*innen dazu. Doch können diese Sorgen reduziert und der Umgang damit erlernt werden. So gewinnst du mehr Selbstvertrauen und Resilienz gegenüber alltäglichen Herausforderungen.
Prävention: Was kann ich tun, um für meine psychische Gesundheit vorzusorgen?
Wenig überraschend, doch umso wichtiger für alle Aspekte deiner Gesundheit sind u. a. eine gesunde und ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und körperliche Bewegung & frische Luft.
Worauf du achten kannst, um möglichst effizient arbeiten zu können, haben wir in unserem vergangenen Beitrag zu Planung und Organisation als Freelancer*in erklärt und das Ganze mit nützlichen Tools gespickt.
Darüber hinaus achte auf:
Stressmanagement: Komm ma´ klar!
Beginnt im Kleinen mit Alltagsroutinen, Priorisierung von Aufgaben nach Dringlichkeit und geplanten Pausen. Kann aber auch mit Tools, Apps oder Onlinetrainings unterstützt werden. Du lernst, den Alltag zu strukturieren, Stressoren zu identifizieren und damit umzugehen. Oft beteiligen sich Krankenkassen an den Kosten der Online-Präventionskurse oder erstatten diese im Nachgang.
Zeitmanagement: Spare viel Zeit, indem du ein wenig Zeit investierst!
Wir haben alle zu wenig davon. Trotzdem gehen wir oft nachlässig mit begrenzter Zeit um. Damit sich keine Aufgaben häufen, du nächtelang schuftest, um Deadlines einzuhalten oder Termine verpasst, ist ein gutes Zeitmanagement nötig.
Die gute Nachricht hierbei ist, dass du als Person nicht mal besonders organisiert sein musst. Vor allem kreative Köpfe erwähnen häufig ihr Chaos im Kopf und wie eng dies mit Ideenfindungen verknüpft ist. So gibt es unzählige Tools, Ratgeber und Methoden wie du das Beste aus deinen 24 Stunden rausholen kannst.
Zeitmanagement ist auch ein Stück weit Selbstmanagement: je strukturierter und geplanter dein Arbeitsalltag, desto mehr Kapazitäten hast du für dich.
Beweg´dich!
Ja, ist leider echt nötig. Du musst ja nicht jeden Tag 100 Kg pumpen oder einen Marathon absolvieren… Ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft ist besser als gar nichts. Die Umstellung von Körperhaltung, Atemfrequenz, Temperatur, Bewegungsabläufen und Umweltreizen wirkt sich positiv auf den Körper aus und beugt einseitigen Belastungen vor.
Die Bedeutung von Pausen und Urlauben
Vor allem Soloselbständige laufen Gefahr, nicht genügend zu pausieren und sich so zu überarbeiten. Die berufliche Flexibilität entwickelt sich oft vom gewünschten Work-life-blending zu Work-work-work…-life.
Natürlich verstehen und kennen wir arbeitsintensive und zeitsensible Phasen. Mussten im Zuge dessen lernen, wie sich Überarbeitung und Überforderung anfühlt. Ist der Arbeitsalltag allerdings von Stress, Zeitdruck und 16-Std-Schichten geprägt, macht das auf Dauer krank.
Wann sind Vergleiche sinnvoll und wann schädlich?
Vergleichen ist gut. Aber bitte nur mit dir selbst! Vergleiche mit anderen ist oft der Kern innerer Unzufriedenheit – und alles andere als fair dir selbst gegenüber. Außenstehende scheinen glücklicher, erfolgreicher, zufriedener etc. Was bleibt, ist das Gefühl des eigenen Versagens und Zweifelns.
Was wir gerne beim Vergleichen außer Acht lassen, sind individuelle Voraussetzungen und Lebensumstände, die uns prägen. Jede*r von uns hat einen anderen Startpunkt, Erfahrungen und eine eigene Persönlichkeit.
Natürlich kannst du dich von anderen inspirieren lassen, Ideen austauschen und dich durch den Erfolg anderer motivieren. Aber sei dabei ehrlich zu dir selbst und frage dich, ob dich der direkte Vergleich tatsächlich motiviert oder dieser lediglich defizitorientiert ist. Dich mit anderen Menschen zu umgeben, stärkt dein Profil & formt ein eigenes Mindset. Suche die für dich passenden Netzwerke, Communities oder Initiativen: tausch dich aus, lass ordentlich Dampf ab und werde gehört!
Sei freundlich zu dir selbst und mach dir bewusst, was vor 10 Jahren war. Wie war dein Weltbild, was waren deine Prioritäten und was hast du seitdem dazu-, neu- & kennengelernt? So werden Errungenschaften greifbarer. Egal, ob es sich um einen neuen Skill handelt, der dich beruflich weiterbringt oder ein neues Hobby wie Brotbacken. Wenn es dir gut tut, well done!
Lass´ los – Sorgen, Weltschmerz & Aufgaben
Natürlich sollst du den Kopf nicht in den Sand stecken. Zu verstehen, was in der Welt passiert, ist wichtig. Sonst verlierst du den Anschluss und stagnierst sowohl auf persönlicher als auch beruflicher Ebene.
Dennoch: Was du nicht ändern kannst oder willst, soll dir auch keine Energie rauben! Tägliche Nachrichten zu politischen Unruhen, Klimawandel und weiteren Schlüsselproblemen unserer Zeit laugen aus…the good news? Es gibt the GOOD NEWS.
Wachsen dir Aufgaben über den Kopf oder sind Fähigkeiten gefragt, die deine übersteigen? No worries, das Freelancer Lab Directory ist für dich da! Finde kollaborative Freelancer*innen und delegiere, was du nicht kannst oder möchtest.
Wenn aus schlechten Tagen schlechte Monate werden…
Schlechte Phasen kennen wir alle. Mies geschlafen, anstrengende Kund*innen, viel zu lange Arbeitstage und währenddessen ungesundes Essen. An solchen Tagen würden wir am liebsten im Bett liegen bleiben, die Welt mit allen Menschen und Verantwortungen draußen lassen, mal kräftig schimpfen oder weinen. Das ist ok und gehört dazu.
Ist allerdings dieses Gefühl der Schwere oder auch völliger Leere ein uneingeladener Dauergast, der sich in dein Leben einschleicht und nicht geht, müssen wir reden. Über Selbstzweifel, Überlastung, Burnout, Depressionen.
Zudem können äußere Ereignisse, Schicksalsschläge und verschiedene Dispositionen das Auftreten mentaler Krankheiten wie Depressionen begünstigen.
Laut der WHO sind ca. 4 % weltweit von der Krankheit betroffen. In der Anzahl Erkrankter bedeutet dies, dass etwa 280 Mio. Menschen darunter leiden. 280.000.000 Betroffene, zweihundertachtzig Millionen Leben, die zeitweilig von Hoffnungs- und Hilfslosigkeit sowie Stigmatisierung geprägt werden.
Und nein, wenn du an Depressionen leidest, reicht es nicht „mal an die frische Luft zu gehen, einfach positiv zu denken und ein bisschen Sport zu treiben“. Nett gemeinte Ratschläge kommen häufig vor, doch helfen sie eher weniger und lassen Betroffene noch bedrückter zurück. Depressionen sind eine ernstzunehmende Erkrankung und sollten professionell unterstützt werden. Nichtsdestotrotz ist ein gesunder körperlicher Zustand zentral für ein allgemeines Wohlbefinden.
Das Perfide an mentaler (Un-)Gesundheit ist, dass es sich von selbst meldet, wenn es keine Beachtung erhält. Oft erwischt es uns in den ungünstigsten Momenten, in denen wir sowieso schon zweifeln und vulnerabel sind. Denn das ist die Basis, auf der sich mentale Probleme ausweiten und manifestieren.
Was sich in besseren Zeiten wie gesunde Selbstreflexion anfühlt, lässt dich in schweren Zeiten an allem Zweifeln, am meisten an dir selbst. Doch egal, wie sehr dir deine innere Stimme sagt, du kannst es nicht: Du bist nicht, was du denkst. Nicht jeder Gedanke spiegelt die Realität wider. Nicht jeder Zweifel ist berechtigt.
Hindern dich negative Gedanken daran, deinem Alltag nachzugehen, such die Schuld nicht bei dir – such stattdessen Unterstützung! Sei es innerhalb deiner näheren sozialen Umgebung oder in ärztlicher Form.
Manchmal hilft es, mit jemandem zu reden, um die eigene Bezugsnorm zu justieren. Manchmal braucht es eine Auszeit oder ein Aufsuchen professioneller Hilfsangebote.
Egal, wie du wann welche Unterstützung benötigst: Du bist nicht die erste Person und wirst auch nicht die letzte sein. Es gibt keinen Grund, sich deswegen schlecht oder schwach zu fühlen. Zu merken, dass etwas nicht stimmt und zu agieren, ist hier die wahre Stärke.
Hilfestellungen: Wo finde ich die für mich passende Hilfe?
Je nach persönlichem Leidensdruck und Problemfeld variieren die dazu passenden Hilfsangebote.
Wenn es dir akut schlecht geht und du dich verloren fühlst, kontaktiere bitte Menschen um dich herum und hol dir Hilfe! Sei es persönlich, telefonisch oder online.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie bietet auf ihrer Homepage ein breites Informationsangebot zu dem Thema und befasst sich u. a. mit Möglichkeiten digitaler Hilfestellung wie E-Mental-Health. Die Informationsangebote sind leicht zugänglich und decken ein breites Spektrum an thematischen Feldern ab. Sich mit der Thematik zu befassen, hilft bei der Identifizierung von Schutzfaktoren und im Umgang mit psychischen Erkrankungen und bei der Entstigmatisierung Betroffener.
Von Knowlegde zu Know-How
Allgemein bildet Wissen die Basis für einen gesunden Umgang mit der eigenen mentalen Gesundheit. Je mehr wir über psychische Prozesse, über Stressfaktoren und über potenzielle Folgen wissen, desto bewusster können wir damit umgehen.
Das RKI veröffentlichte einen Schwerpunktbericht zu dem Thema aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Hier wurde der Fokus auf Depressionen und kognitive Leistungsfähigkeit gelegt und gleichzeitig im individuellen sowie sozialen Kontext betrachtet.
Zu verstehen, wie sich Ängste, Zweifel entwickeln und wie u. a. Depressionen entstehen, bietet ein ganzheitliches Bild. So sind private wie berufliche Stressfaktoren identifizierbar, die sich auf die Vulnerabilität der Psyche auswirken und je nach Expositionsgrad entsprechende Folgen hervorrufen können. Das Wissen darüber, dass negative Gedanken oder persönliches Leiden nicht der eigenen Unfähigkeit entstammen, reduziert Versagensängste und -gefühle.
Vielen von uns ist es nicht möglich, Rahmenbedingungen wie sozioökonomische oder gesellschaftliche Faktoren zu verändern. Was uns aber möglich ist, ist der eigene Umgang mit Diskrepanzen zwischen Erwartungen, Outcome und Verhalten.
Wir können keine Vergangenheiten ändern, keine Kindheit nochmal erleben. Doch ist es hilfreich zu verstehen, was uns aus der Vergangenheit belastet und wie es sich noch heute auf unser Befinden oder Verhalten auswirkt.
Als Erwachsene leben wir selbstbestimmter und sind für uns selbst verantwortlich. Prioritäten haben sich verschoben und neue Herausforderungen wie soziale oder berufliche Partizipation kamen hinzu.
Zu wissen, welche individuellen Schwächen und Ängste vorhanden sind, schützt vielleicht nicht vor dem damit verbundenem Stress. Aber es gibt uns die Möglichkeit, den Umgang damit zu lernen und nicht daran zu verzweifeln.
Last but not least: Für den eigenen Job zu brennen ist ok. Ausbrennen nicht.
Mach dir bewusst, was in deiner Hand liegt und vor allem, was nicht. Was du selbst nicht beeinflussen kannst, sollte auch keine deiner Kapazitäten beanspruchen.
Wir müssen und können nicht alles wissen oder beherrschen. Dafür reichen weder unsere Lebenszeit noch unsere intraindividuellen Fähigkeiten. Doch das müssen wir glücklicherweise auch nicht. Jede*r von uns kann etwas anderes und genau so sollte es sein.
Weil der Mensch ein soziales Wesen ist und in gesellschaftlichen Gefügen agiert, machen wir uns das zunutze. Heute, in 2022, haben wir die Möglichkeit, Communities zu schaffen und uns mit Gleichgesinnten auszutauschen. Wir vom Freelancer Lab sehen uns in der Verpflichtung, offene Kommunikationsräume für Selbstständige zu schaffen. Wir wollen, dass Menschen an unseren Events zusammenkommen und nicht miteinander konkurrieren, sondern sich gegenseitig und ihre Ideen supporten. Frei nach unserem Motto: Community over competition!