Part 2: Selbstständigkeit & Krisenzeiten: No Risk, no Fun(nel)

Gefühlt geraten wir von einer in die nächste Krise, als Gesellschaft und als Individuum: Klimawandel, Pandemie, Krieg in der Ukraine, Wirtschaftsrezession etc. Die Auswirkungen sind mitunter gewaltig, noch nicht gänzlich absehbar, doch steht fest: Krisen erzeugen Unsicherheit. Und: No worries, Freelancer Lab got you!

Wir befassen uns seit einiger Zeit mit dem Thema der Selbständigkeit in Zeiten wirtschaftlicher Rezession und lieferten im ersten Teil potenzielle  Vorteile, Chancen und Nischen für Freelancer*innen im Kontext der gesellschaftlichen Neujustierung.

In diesem Teil betrachten wirdie Risiken genauer und liefern Lösungsansätze, um Unsicherheiten beim Freelancing zu reduzieren. Denn wir möchten dich in deinem Vorhaben bestärken und informieren. Was wir nicht möchten: Selbstständigkeit unreflektiert glorifizieren.

So wenig Freelancing das Non-Plus-Ultra für alle sein kann, so scheuen sich manche von uns vor einem Angestelltenverhältnis in Vollzeit. Doch musst du dich denn entscheiden? Was ist, wenn das Sicherheitsbedürfnis ebenso groß ist wie der Freigeist?

  • Was ist der richtige Job für mich: Corporate oder nicht Corporate?
  • Welche Risiken können mir in der Soloselbstständigkeit begegnen?
  • Wie kann ich als Freelancer*in Sicherheit aufbauen?

Und versage ich als Selbstständige*r, wenn mir Sicherheit, Planbarkeit und finanzielle Vorteile eines Angestelltenverhältnisses wichtiger sind?

Freelancing oder Corporate? Das ist hier die Frage…

Schön und gut, dass wir in einer Zeit leben, in der mehrere Optionen immer eine Option sind (pun intended…).

Doch was heißt das für uns als Freelancende?

Dass du dich entscheiden kannst, aber nichts musst!

Zugegebenermaßen ist die Antwort so befriedigend wie lauwarmer Kaffee. Doch im Kern geht es darum, dass wir alle die Unsicherheiten kennen. Wenn mehrere Möglichkeiten greifbar sind, entscheiden wir uns entweder gar nicht, blind oder fragen uns wiederholt, welche die beste Option ist, wäre oder war.

Es schreibt dir niemand vor, ob Sicherheit, Planbarkeit oder Freiheit deine oberste Priorität sein soll. Zu individuell die Bedürfnisse und Lebenswege. Auch innerhalb der Community des Freelancer Labs sind verschiedene Arbeitsverhältnisse und -formen zu finden. Ein Teil arbeitet als Digital Nomad von überall aus, ein anderer angestellt in Teilzeit oder spielt erst mit dem Gedanken einer Selbstständigkeit. Es gibt kein Richtig, kein Falsch.

In Bezug auf die Selbstständigkeit sind Entscheidungen immer wieder aufs Neue zu treffen. Prioritäten zu setzen. Situationen zu justieren. Das ist anstrengend und verbraucht Kapazitäten.

Doch Obacht! Sich nicht zu entscheiden, bedeutet zeitgleich, sich gegen alle Optionen zu entscheiden, ob wir möchten oder nicht. Aber wenn du dich entscheiden musst, mach dir bewusst, was in deiner Hand liegt, was dir wichtig ist und womit du dich wohlfühlst.

Wir können dir nicht raten, was für dich die beste Option ist. Ob die finanzielle Lage mehr Gewicht erhalten sollte als Zuverlässigkeit. Doch womit wir dich unterstützen können, sind wertvolle Informationen und unsere Erfahrungen.

Was spricht für‘s Freelancen?

Kurz: Flexibilität und Agilität. Mehr zu den Vorteilen und Chancen in Bezug auf eine selbstständige Tätigkeit findest du in unserem ersten Teil des Beitrags. Hier gehen wir genauer auf Nischen, Branchen und Möglichkeiten ein.

Was spricht für einen Corporate-Job?

Kurz: Sicherheit und Planbarkeit. Und das ist völlig legitim! Verlässlichkeit ist ebenso ein nachvollziehbarer Grund, einen Job anzufangen oder auszuüben wie das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Stabilität.

Die oft mit Solopreneurs in Verbindung gebrachte „Hustler-Mentalität“ ist nichts für jedefrau und jedermann. Erfolg und Zufriedenheit sind auf vielen Wegen zu erreichen und nicht zwangsläufig mit Selbstkasteiung und unangenehmer Attitüde verbunden.

Sich nicht eigen- und ständig um Kundenakquise, Buchhaltung und Projektmanagement zu kümmern, klingt doch fabelhaft! Es gibt bestehende Strukturen, Rahmen und Prozesse, auf die man sich „nur einlassen“ muss. Sind die Rahmenbedingungen definiert, bleibt mehr Kapazität für die eigentliche Arbeit, die morgens anfängt und nach etwa acht Stunden endet. So wie deine Verantwortung. Aus dem Gebäude einer Arbeitsstelle zu gehen, bedeutet im Optimalfall auch, abzuschalten und am Abend zu ruhen.

Als Selbstständige*r hingegen kannst du seltener abschalten. Selbst ein wohlverdienter Urlaub fühlt sich nicht immer erholsam und verdient an. Zu omnipräsent die liegengebliebenen Tasks und zu groß das Verantwortungsgefühl gegenüber dem eigenen Business.

Das Wissen, dass sich nichts bewegt, wenn sich niemand um etwas kümmert, nagt am freiberuflichen Gewissen. Es geht immer mehr, noch besser und effizienter.

Was am Ende bleibt, sind erschöpfte Selbstständige im Hamsterrad. Ab und zu fühlen wir uns so, vor allem in arbeitsreichen Phasen vor Deadlines und Präsentationen. Doch ist es weder wünschens- noch erstrebenswert, von einer K.O.-Phase in die nächste zu geraten.

Der Grund, weswegen sich viele zum Freelancen hingezogen fühlen, ist bei permanenter Auslastung nicht zu erreichen und geht so auf Dauer unter: eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Natürlich ist es naiv zu glauben, als Freelancer*in nur dann zu arbeiten, wenn man möchte. In der Realität wechseln sich Hochphasen und Flauten ab, völlige Überzeugung wird abgelöst von tiefer Krise und dem Infragestellen aller Entscheidungen. Manchmal auch innerhalb weniger Tage. Das muss einem als Selbstständige*r bewusst sein – und aushalten können.

Nichts ist von Dauer, alles ist im Wandel, vor allem in Phasen globaler Veränderungen. Dass sich gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse auch auf den Arbeitsmarkt auswirken, ist so selbstverständlich wie unvermeidbar. Doch ist es von Vorteil zu wissen, inwiefern angemessen auf Veränderungen reagiert werden kann.

Diversifizieren: Aber richtig!

Als Freelancer*in heißt es oft: Findest du deine Nische, hast du gewonnen!

Natürlich ist es wichtig, mit deinem Repertoire an individuellen Fähigkeiten und Services herauszustechen. Eine seltene Kompetenz zu besitzen, kannst du dir gerne bezahlen lassen und ist oft die Basis einer selbstständigen Tätigkeit.

In Anbetracht einer Krise solltest du jedoch auch darauf achten, nicht „allzu sehr“ abhängig von einzelnen Auftraggeber*innen zu sein. Abgesehen von der drohenden Scheinselbstständigkeit (struggle is real!) ist es nie eine gute Idee, völlig abhängig zu sein. Zu groß das Risiko, als Freelancer*in zum Opfer spontaner Budgetkürzungen zu werden.

Wenn du kannst, achte darauf, nach Möglichkeit mehrere Kund*innen zu bedienen. Im Optimalfall trägt jedes einzelne Projekt dazu bei, deine Grundbedürfnisse zu stillen. Das heißt, wenn eines wegfällt, können zumindest übergangsweise Miete und Lebensunterhaltung abgedeckt werden.

Wenn die Aufträge zudem aus verschiedenen Branchen kommen, umso besser! Auch hier zahlt sich Diversifizierung aus. Beispielsweise benötigen fast alle Unternehmen Homepages und somit Webdesigner*innen – Egal, ob es sich um einen Baumarkt oder eine Arztpraxis handelt. So landest du beispielsweise in verschiedenen Branchen und übst dennoch hochspezialisierte Arbeit aus.

Wie kann ich als Freelancer*in Sicherheit aufbauen und Risiken minimieren?

Indem du gestern gehandelt hättest. Und einen ausreichenden finanziellen Puffer aufgebaut hättest. Stets greifbar und fluide (wie unrealistisch). 😊

Was du ab jetzt tun kannst? Zumindest nicht den Kopf in den Sand stecken.

Freiberuflich zu arbeiten, bedeutet auch oft von Projekt zu Projekt überzugehen. Fliegender Wechsel von Unternehmen, Teams und Verträgen. Da flattert zwischendrin auch mal die eine oder andere Kündigung für einen Rahmenvertrag ins Haus. Von der Ungewissheit, was in zwei Jahren sein wird, ganz zu schweigen. Doch muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass dich jede Veränderung in Sinnkrisen und Insolvenzen stürzt.

Es zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, zu wissen, wann welche Rücklagen gebildet werden sollten, welche Steuerabgaben fällig werden und es sinnvoll ist, sich von außen Hilfe zu holen. Plane deine Finanzen strukturiert, realistisch und sei stets in der Lage, flexibel zu reagieren. Beziehe laufende Kosten, Leerphasen sowie Investitionen ein. So sinkt die Wahrscheinlichkeit für unvorhergesehene Ausgaben und du behältst den Überblick.

Schließe nach Möglichkeit Versicherungen ab, lege in guten Monaten Geld beiseite – Du wirst es wahrscheinlich irgendwann brauchen. Kümmere dich um mehr Kontakte, Kund*innen und Kollektive. Bleibe präsent bei denen, die dich bereits kennen und schaffe Sichtbarkeit bei denen, die Ausschau halten.

Freelancing 2.0 mit einer Hybrid-Lösung!

Auch hier ist es gut, sich breit aufzustellen. Die gute Nachricht ist, dass du dich gar nicht entscheiden musst!

Viele Freelancer*innen arbeiten zeitweilig für ein Unternehmen. Sei es im Rahmen von Projektarbeit oder in Teilzeit. Die Möglichkeit, beides zu kombinieren, bietet die Vorteile beider Tätigkeitsformen.

Innerhalb von Unternehmen ist es aufgrund der Strukturen einfacher, für die eigene finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit zu sorgen. Gleichzeitig ist man Teil von etwas Ganzem, lernt neue Menschen und Prozesse kennen. Mit Rahmenverträgen sichern sich viele Freelancer*innen ein Grundeinkommen.

Darüber hinaus werden noch Projekte realisiert, die in die Selbstständigkeit fallen. Kooperationen und Projekte auf selbstständiger Basis sind meist individueller. So entscheidest du allein, welchen Auftrag du annimmst und mit welchem Unternehmen oder Werten du dich identifizieren kannst. Auch hier ist ein finanzieller Puffer sinnvoll und hilfreich. Denn mit dem Wissen, dass du die nächste Zeit überbrücken kannst, kannst du mehr zu dir selbst und deinem Business stehen. Das gibt dir mehr Freiraum und bringt dich näher daran, was das beste am Freelancen ist: Freiheit. In Bezug auf Kooperationen, Projekte und Zeit.

Agilität schlägt Autorität

Seriosität und Autorität ist im Job oft erwünscht, für Google Rankings obligatorisch und Ziel jeder Kampagne konservativer Parteien. Das heißt, dass es nicht immer sinnvoll und angebracht ist. In Zeiten von Zäsur, von Globalisierung und Digitalisierung – oder eben Krisen – gewinnen weitere Eigenschaften an Bedeutung.

Vor allem bei einer Selbstständigkeit ist es von Vorteil, Trends zu identifizieren, Bedürfnisse zu erkennen und das Angebot anzupassen. Als eigenständig arbeitende Person bist du eher in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren. Das verschafft dir einen zeitlichen Vorsprung und verhilft dir zu mehr Profil.

Die Pandemie traf beispielsweise die Gastronomiebranche besonders hart. Zahlreiche Insolvenzen waren die Folge. Ein Teil allerdings erfand sich neu, wälzte Prozesse um und adaptierte mit Erfolg. Restaurants verkauften u. a. Gutscheine, um liquide zu bleiben, erweiterten ihr Take-Away-Angebot oder passten Planung und Arbeitsprozesse den Geschehnissen an.

Sich in solch einer Situation zu verweigern, auf Altes und Bewährtes zu bestehen und einfach nur abzuwarten… eher keine so gute Idee. So wie sich die Welt mit der Zeit ändert, so müssen wir immer ein Stück weit mitgehen, um zu bestehen.

So ist es mit vielen Krisen und Veränderungen. Wenn es nicht in deiner Hand liegt, akzeptieren und weiter geht‘s. Um es mit den Worten einer weisen Frau zu sagen: „Wir schaffen das, wir haben schon so viel geschafft“. 😊

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